Farid Müller traf Aktivistinnen und Opposition
Am Rande der Ostseeparlamentarierkonferenz in St. Petersburg vom 26.-28. August 2012 traf ich mit lesbischen Aktivistinnen und Oppositionsabgeordneten zusammen. Ihre Berichte über die aktuelle Situation in Rußland und die Einschüchterungsversuche des Putin-Regimes waren erschreckend und deprimierend. Mut hat mir aber deren Kampfgeist und Unerschrockenheit gemacht.
Im Sommer 2011 hatte ich Gelegenheit russische Queer-Aktivisten im Hamburger Rathaus zu treffen. Nun, 1 Jahr später konnte ich zu einem Gegenbesuch in unserer Partnerstadt St. Petersburg aufbrechen.
Inzwischen ist ein Anti-Gay-Gesetz in Kraft, gegen das die gesamte Hamburger Bürgerschaft in einer Resolution Stellung bezogen hat. Dieses Gesetz sieht in Kurzfassung vor, wer sich für lesbische-schwule Themen und Belange in der Öffentlichkeit einsetzt, wird mit einer Geldstrafe rechnen müssen.
Mein Anliegen im Gespräch mit den Aktivistinnen war nun zu erfahren, wie dieses Gesetz wirkt und wie sie die aktuelle Situation von Lesben und Schwulen in unserer Partnerstadt einschätzen.Gulya Sultanova vom queeren Filmfestival „Side by Side“ und Olga Lenkova von der Organsisation „coming out“ berichteten von Demos, Gerichtsentscheidungen (es wird versucht, das Gesetz anhand eines konkreten Falls vor das Obersten Gericht in Moskau zu bringen). Das geplante Filmfestival ist fertig geplant, es werden auch die Organisatoren von den Lesbisch-schwulen Filmtagen vorbeikommen. Unklar ist, ob die Behörden in St.Petersburg noch Druck auf die Kinos ausüben, denn sie verstoßen ja im Sinne des Anti-Gay-Gesetzes gegen die Verordnung.
Am Rande des Treffens habe ich erfahren, dass das neue Programm (Memorandum) der Partnerstädte Hamburg/St.Petersburg noch im September unterschrieben werden soll. Von Hamburger Seite soll es einen schwul-lesbischen Part geben, der aber, wen wundert’s, von Petersburger Seite strittig gestellt wurde. Nun darf man gespannt sein, ob Hamburgs SPD-Senat nachgibt und Bürgerrechte dem Funktionieren der Städtepartnerschaft untergeordnet werden….
Das Treffen mit meinen Abgeordnetenkolleginnen und Kollegen Nikolay Rybakow, Natalija Jewdokomowa, Xenija Wachruschewa (Yabloko-Partei) Petersburger Parlament (ist auch eine Art Stadtstaat) hat mir vor Augen geführt, wie schlimm es um Rußlands Demokratie steht. Die Wahlen vom Frühjahr diesen Jahres wurden massiv zugunsten der Putin-Partei gefälscht, trotzdem konnte Putin in St.Petersburg keine absolute Mehrheit holen (nur ca. 40%) und hat sich zur Mehrheitsbeschaffung die rechtsnationale Schirinowski-Partei (Liberal-Demokraten, welch Missbrauch der Worte!) ins Regierungsboot geholt. Alle Versuche, die Manipulationen aufzudecken und per Gericht Neuwahlen zu erzwingen, sind von gleichgeschalteten Gerichten in St.Petersburg abgewiesen worden.
Ihre parlamentarische Arbeit wird auf allen Ebenen blockiert und behindert, ich denke, wir sollten als Partnerstadt Hamburg mal drüber nachdenken, wie wir die Demokratiebewegung dort besser oder überhaupt mal endlich unterstützen können.
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