Rechts- und Innenpolitik

Fußfessel-Flop: Praxistest gescheitert – Einsatz jetzt stoppen!

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Seit Sommer 2011 hat Hamburg für ehemalige Straftäter (Sexualdelikte und schwere Körperverletzung) die elektronische Fußfessel eingeführt. Jetzt wird durch ein aktuellen Fall klar, dieses System der elektronischen Aufenthaltsüberwachung ist in der Praxis gescheitert. Statt jährlich 20 Probanden, waren es seit 2011 nur 4 „Ausgesuchte“ und die erwiesen sich dann auch noch als Fehlgriff. Diese politische  Fehleinschätzung hat Justizsenatorin Jana Schiedek zu verantworten. Der aktuelle Fall startete im letzten Sommer mit der Auswahl eines ehemaligen Sexualstraftäters, der alkoholsüchtig war und ist. Darüber hinaus hatte ihm seine Justizvollzugsanstalt auch psychische  Probleme konstatiert. Dies hielt aber die Fallkonferenz (TOP = Täterorientierte Prävention) nicht davon ab, als eine der Bewährungsauflagen das Tragen einer elektronische Fußfessel aufzuerlegen.

Seine Rechtsanwältin hatte schon damals davor gewarnt und entsprechende Klage beim Oberlandesgericht eingereicht, u.a. mit der Begründung der Persönlichkeitsstruktur des Betroffenen. Doch es half alles nichts, das Gericht lehnte die Klage ab. Derweil verstieß der Betroffene schon munter gegen seine diversen Bewährungsauflagen, meist im betrunkenen Zustand. Zum einen musste er sich einmal täglich in der Polizeiwache Langenhorn melden, was wohl nicht immer klappte. Zum anderen vergaß der Betroffene das Aufladen des Akkus der elektronischen Fußfessel. Was zu dem aberwitzigen Aufwand seitens der Polizei führte, dass diese in der Polizeiwache ein Akkuladegrät bereitstellen mussten.

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Immer, wenn der Betroffene ohne aufgeladenen Akku auffiel, musste sie ihn suchen, finden, auf die Wache verbringen und nach Aufladung wieder freilassen. Bei jedem Verstoß (nach aktuellen Stand über 100) gegen die Bewährungsauflagen hat die Führungsaufsicht eine Klage bei der Staatsanwaltschaft beantragt, die diese dann an das Amtsgericht Mitte weitergegeben hat. Doch dort entschied man erst einmal nichts. Im Frühjahr 2014 verschärfte die Führungsaufsicht die Bewährungsauflagen, nun sollte sich der Betroffene zweimal täglich in der Polizeiwache melden. Doch diese Maßnahme führte nur noch zu mehr Verstößen und in der Folge zu mehr Anklagen.

Auch ein angeblich neues Sexualdelikt soll es während der akkufreien Zeit gegeben haben. Nur das Gericht kam offenbar nicht zu dem einzig naheliegenden Schluss, dass der alkoholkranke Betroffene dringend in eine Entziehungsanstalt müsste, weil er weder sein Leben deswegen in Griff bekommt, noch mit dem Management einer elektronischen Fußfessel zurechtkommt. Nach mir vorliegenden Informationen haben LKA, Staatsanwaltschaft und sogar seine Rechtsanwältin händeringend um die Einweisung des Betroffenen bei Gericht gebettelt. Erst jetzt im Mai 2014 wurden sie erhört, der Betroffenen wurde nun, wie das Abendblatt berichtete, in eine Entziehungsanstalt eingewiesen. Seine Verhandlung der über 100 Verstöße gegen die Bewährungsauflagen ist auf den 8. Juli 2014 terminiert (!).

Der SPD-Senat hatte die Bürgerschaft bei Einführung der elektronischen Fußfessel darüber informiert, dass er mit jährlich 20 Einsätzen rechnet, tatsächlich sind es bisher 4….Beim ersten Fall wählte man einen IT-Experten aus, der mit seiner Fußfessel nicht in Rechenzentren durfte. Er klagte dagegen mit Erfolg, nach 21 Monaten war er sie los. Ein anderer Betroffener hat das Land verlassen, der Dritte weigert sich bis heute diese anzulegen, was ihm bereits 8 Monate Gefängnisstrafe bescherrt hat, trotzdem ist zur zeit auf freien Fuß, ohne Fußfessel….(!). Der vierte Fall siehe oben….

Dafür zahlt die Stadt jährlich mindestens 19.000€, um am bundesweiten System teilzunehmen, mehrere 100.000 € wurden schon in den Aufbau des Systems investiert.

Nach drei Jahren ist nun deutlich geworden, die elektronische Fußfessel ist in der Praxis gescheitert, Hamburg hat zu wenig geeignete Fälle und die, die  trotzdem ausgesucht wurden, erwiesen sich nachträglich als tragischer Flopp. Statt in technischen Schnickschnack zu investieren, sollte Justizsenatorin Schiedek lieber das Geld in bewährte Resozialisierung investieren, hier hapert es allen Ecken.

Mehr Infos:

Senatsanfrage 1 elektronische Fußfessel außer Kontrolle

Senatsanfrage 2  elektronische Fußfessel außer Kontrolle

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