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Was wird aus Ex-G+J am Baumwall?

Bei Ex-Gruner+Jahr (jetzt RTL) protestierte die Belegschaft vor einigen Tagen zurecht gegen die Bertelsmann-Mutter und deren Zerschlagungspläne des renommierten Zeitschriftenverlags. Das Verlagsgebäude, ursprünglich von der Stadt erworben, wurde schon vor geraumer Zeit wegen einer Rücktrittsklausel an Tishman Speyer verkauft und muss bis 2025 geräumt werden. Was wird nun aus diesem TraditionsVerlag und seinen Beschäftigten?

Als Gruner+Jahr 2021 seinen Umzug in den damals neu geplanten Firmensitz in der Hafencity absagte, war schon ein berechtigtes Fragezeichen zur Zukunft des Verlages ausgesandt worden.  Auch, wenn die Pandemie bisweilen unausgesprochen als Grund für diesen Schritt herhalten musste. Im Frühjahr `21 zog sich dann auch noch die Verlagschefin Julia Jäkel von der Führung zurück.  Das neue Verlagsgebäude war auch ihr „Kind“ gewesen…

G+J RTL kämpferische MittagspauseNun, fast zwei Jahre später, heißt G+J auch RTL. Eine geplante Fusion von Zeitschriftenmarken mit TV ist abgesagt worden, und Bertelsmannchef Thomas Rabe hat die Führung bei RTL (und damit auch Ex-G+J) übernommen. Die Umsatzrendite von 12% in 2021 (wie es aktuell mit der Pandemie und den gestiegenen Energiekosten für 2022 aussieht, ist nicht bekannt) scheint Bertelsmann nicht zu genügen, um diesen stolzen und auch zumindest bis 2021 rentablen Verlag im Ganzen zu erhalten.

Nun werden alle Zeitschriftenmarken, wie „Stern“, „Brigitte“, „GEO“, „Eltern“, „Essen und Trinken“ und viele mehr, einzeln auf ihre Rendite geprüft und für den Verkauf vorbereitet – ob mit oder ohne Belegschaft, ist nicht bekannt. Angeblich soll diese Prüfung bis Mitte Februar abgeschlossen sein.

Für Hamburg als Medienstadt sind das weitere beunruhigende Nachrichten. Bereits der Weggang von einem Großteil der Springer-Zeitungen und Zeitschriften nach Berlin war ein schmerzlicher Schritt gewesen. Immerhin hatte Springer aber allen Mitarbeiter*innen angeboten, den Arbeitsplatz mit Stadtwechsel zu erhalten. Bei RTL ist alles offen. Und zurecht machen die Mitarbeiter*innen jetzt öffentlichen Druck auf Bertelsmann. Die Redaktionsbeiräte der Zeitschriften haben der Besitzerfamilie Mohn einen Brandbrief geschrieben. Ob das geholfen hat, den Renditewahn zu stoppen, bleibt abzuwarten.

Senat und Bürgerschaft können, anders als bei Hapag-Lloyd, nicht einfach Anteile kaufen, weil die Presse nun einmal Senat und Bürgerschaft kontrollieren sollen. Ein Firmenanteilserwerb verbietet sich also aus politischer Hygiene. Doch dieses Angebot der Politik bleibt bestehen: Wenn erwünscht, helfen wir wieder, wie schon beim ursprünglichen Kauf des Verlagsgebäudes, bei Grundstücken und Gebäuden und sicher auch, wenn nötig, bei einer digitalen Transformation. Das alles muss nur auch von Bertelsmann gewollt sein.

Eine Zerschlagung dieses Qualitätsjournalismus‘ darf meiner Meinung nicht wegen zu wenig Rendite passieren! Wir brauchen das Gegenteil: Investitionen in diese Zeitschriftenmarken, die ganz sicher große Zukunftschancen online, im TV und wahrscheinlich sogar weiterhin gedruckt hätten.

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